WENN NÄCHSTENLIEBE AUSFÄLLT
Früher verbrachte ich Nachmittage damit, auf der Bettkante sitzend die Wand anzustarren. Oft in einsamer Stille, selten lief das Radio. Wünsche, Träume, Ängste – während ich in mich hineinhorchte, den Gedanken freien Lauf ließ, ward ich mir einer Sache bewusst: wenn du dich nicht glücklich machen kannst, kann es keiner.
Wir sollen unseren Nächsten lieben wie uns selbst. Tatsächlich gönnen wir nicht mal der besten Freundin ihre reine Haut, weil unsere gerade wieder in der Pubertät steckt. Und warum zur Hölle sollten wir zehn Euro an eine Kinderhilfsorganisation spenden, wenn wir doch seit Wochen so hart auf die erträumte It-Bag sparen?
Hm, kennen wir irgendwie.
Selbstliebe vs. Nächstenliebe//
Nein, wir müssen keine Fremden umarmen und auch keine Naivität Mitmenschen gegenüber an den Tag legen. Es sollte doch reichen, anderen wohlgesonnen zu sein und ihnen mit einem Lächeln zu begegnen. Nächstenliebe beginnt mit kleinen Gesten. Aufmerksamkeit statt penetranter Displayglotzerei. Danke sagen für den Kinder-Bringdienst. Der älteren Dame die Straßenbahntür aufhalten.
Selbstachtung, Selbstannahme, Selbstliebe – die Grundlage dessen.
Nicht zu verwechseln aber mit Selbstverliebtheit, der narzisstischen Projektion eines idealisierten Selbst.
Aber wie sollen wir anderen Zuneigung entgegen bringen, wenn wir es bei uns selbst schon nicht schaffen?
Finding yourself//
Wir wollen so viel und brauchen so wenig. Überquellende Kalender, überbordende Wunschlisten.
Der immerwährende Mamastruggle „Kind und Karriere“, von After-Baby-Bodies über Bodyshaming zu Thigh Gaps: der Blick rast nach rechts und links, verharrt aber selten in der Mitte. Bei uns selbst.
Wie wir da hin kommen? Die Lösung ist, sich auf eigene Bedürfnisse konzentrieren, diese aber bewusst hinterfragen. Brauche ich die anvisierte Tasche wirklich, um mich vollkommen zu fühlen? Oder ist der tieferliegende Wunsch die Anerkennung durch eine bestimmte Gruppe?
Ein Bewusstsein für sich selbst schaffen – ohne digitale Berieselung oder äußere Einflüsse.
Wer bin ich, was will ich, was brauche ich? Mich mit mir selbst zu beschäftigen, war nahezu eine Challenge. Der neu begonnene Yoga-Kurs brachte neben Entspannung auch Besinnung und Kraft. Das tiefe, meditative Atmen führte zu einem neuen, positiven Körperbewusstsein und einer spontanen Blogpause. So tief Luft geholt habe ich schon lange nicht mehr. Ich fühle mich eher mit mir versöhnt und weiß um meine Sehnsüchte.
Paradiesische Verhältnisse//
Lasst uns träumen von einer Welt, in der jeder um seinen Wert weiß. In der wir unsere Fähigkeiten kennen und damit andere ergänzen. Eine Erde, auf der wir uns nicht vergleichen und ungesunden Idealen nacheifern.
Auf der wir selbstbewusst geben, weil wir nicht zu stolz zum Nehmen sind.
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