ODER AUCH: ÜBER SITTENVERFALL UND TINDEROPFER
Dröhnende Beats eines beliebigen Chartsongs schallen aus den Boxen. Der Clubabend hat seinen Zenit schon erreicht und der Nebel lichtet sich. Es stehen mehr Grüppchen herum, als dass sie tanzen. Gerade von der Bar das erfrischende Wasser entgegen genommen, nehmen wir zwei die gaffenden, abcheckenden Blicke eines männlichen Duos wahr.
,,Na, ihr Süßen, was geht?“ wird uns an den Kopf geworfen. Das Wasser zeigt Wirkung und plötzlich formiert sich in meinem Kopf innerhalb von Millisekunden ein äußerst klarer Gedanke. Einer, der eigentlich jedem einleuchten und global im Knigge aufgeführt sein müsste.
In Teeniezeiten war die erste Frage an einen Schwarm, ob dieser vergeben sei. Und erst die Verneinung durch das Gegenüber gab den Freischuss für weitere Dialoge und Handlungen.
Warum also ist es heute so schwierig ein bisschen Anstand zu beweisen?
Tinder und andere Singlebörsen mit oder ohne Niveau gaukeln uns vor, potenzielle Partner wären überall und uneingeschränkt verfügbar. Dass ein Objekt der Begierde vergeben sein könnte, ist vor der geplanten Anmachtour keine sich selbst gestellte Frage.
Dass hier der Respekt vollends auf der Strecke bleibt, merkt mal wieder keiner. Nicht nur dem Angemachten, auch dem daheim gebliebenen Partner, der Institution Beziehung gegenüber fehlt völlig die Wertschätzung.
Was das grundlegende Problem ausmacht: in skrupelloser Weise werden bestehende Beziehungen ignoriert. Was zählt, ist der reine Egoshoot, die Ausbeute am Ende des Abends.
Wie glücklich kann ich mich schätzen, bei diesem Zirkus nicht mehr Akteur zu sein. Denke ich mir immer wieder. Doch da gewisse Herrschaften auch an einem Ehering nicht halt machten, wurde ich ein Stück weit Teil des Spektakels und machte -überaus überraschend für unser Gegenüber- die Manege zur Bühne meiner Gedanken.
Ob er jemals daran gedacht hätte, einer potenziell in einer Beziehung lebenden Frau Respekt zu zollen und sie vor einer dummen Anmache höflicherweise zu fragen, ob sie vergeben sei. Große Augen, offener Mund, Stille. Ein Anflug von Kopfschütteln und die zaghafte Frage, ob das nun heiße, dass er gehen soll. ,,Genau, richtig erkannt!“ entgegnete ich und prostete beiden mit meinem Wasser zu, ehe wir zwei erhobenen Hauptes von dannen zogen.
MÜTZE // HUSBAND’S OWN
TURTLENECK / MANTEL // ZARA
MANTEL // H&M
HOSE / DRYKORN
TASCHE // BETTY BARCLAY
TUCH // H&M
SCHUHE // DR. MARTENS (VEGAN „1461“)
Danke danke danke! D.a.n.k.e! Genau aus diesem Grund habe ich mir in gewissen Lokalitäten sogar schon selbst Hausverbot erteilt. Einfach weil ich weiss, dass dort ab Uhrzeit X die Stimmung komisch kippt und sich alle in einem Haifischbecken befinden. Nein danke, brauch ich nicht (mehr).
schade, dass du es anscheinend so siehst, dass eine anmache nur dann nicht in ordnung ist, wenn frau schon vergeben ist, da sie dann ja schon einem konkurrenten "gehört". was ist, wenn ich einfach keinen bock auf eine anmache habe – auch wenn ich keinen männlichen partner vorweisen kann? so oft habe ich selbst erlebt, dass eine absage nicht akzeptiert wird, wenn kein grund genannt wird. daher flüchten sich viele frauen in die "ich habe einen freund"-ausrede. patriarchismus ahoi!
Ich habe deine Situation keinesfalls kategorisch ausgeschlossen. In deinem Fall ist es genauso anstandslos, weiter zu baggern und einen Grund anzufordern. Es hat sich einfach eine Anmachkultur entwickelt, die vor nichts halt macht. Die ist in keiner Situation gut zu heißen. Auch in deiner nicht. Ein "Nein" sollte akzeptiert werden, ganz einfach.
finds auch total lächerlich vom RESPEKT vor einer Beziehung zu schreiben.
Wie wärs mal mit Respekt vor der Dame an sich, ob mit Freund oder ohne. Ist man Ohne Freiwild?
Außerdem gehen auch genug vergebene Menschen auf so anmachen ein. Weil ihre Beziheung sie langweilt. Weil sie Bestätigung brauchen. Sehr einseitige Ansicht.
Offensichtlich hast du meinen Text nicht genau gelesen, denn dort spreche ich sehr wohl von der fehlenden Wertschätzung gegenüber "dem Angemachten" und einer "potenziell vergebenen Frau". Bedeutet, hier ist einmal geschlechtsunspezifisch wie auch ohne Beziehungsstatus beschrieben worden. Auch ersteres ist mir wichtig gewesen, es sind ja nicht nur Frauen "Opfer".
Meine Intention war nicht, das ganze Spektrum an Anmachfällen zu sezieren, sondern ich habe lediglich einen Erfahrungsbericht mit dazu entstandenen Gedanken veröffentlicht. Ja, es gibt auch noch andere Situationen und Personenkreise, die ich hier nicht unter die Lupe genommen habe. Das war auch gar nicht meine Absicht. Und zu verletzen, nur weil die persönliche Situation nur nebenbei erwähnt wird, auch nicht.
Grundtenor meines Textes ist folgender, sofern du das noch nicht rauslesen konntest: Diejenigen in der Offensive sollten mit Respekt an das Objekt der Begierde herangehen ganz unabhängig vom Beziehungsstatus dessen.